Auf einer BÜZ-Reise nach Rügen, bei der wir zu Gast waren in der „Freien Schule Rügen“, hatte unsere kleine Lehrer-Delegation die Möglichkeit einen Tag in eine Wildnis-Schule hineinzuschnuppern. Diese kleine Fortbildung sollte in mir etwas wachrütteln und nicht mehr in Vergessenheit geraten.
Wir machten an diesem Tag in der Wildnis-Schule Erfahrungen, die mich auf den Weg brachte meinen Schülern und mir mehr Natur, Wildnis und die damit verbundene Erdung zu ermöglichen.
Was war genau geschehen?
Ich spürte schon länger, dass wir in unserer digitalen, schnelllebigen Stadtwelt immer mehr die Kraft der Natur als Energie- und Wissensquelle vergessen und nicht ausreichend nutzen. Wir befinden uns innerhalb der Schule meist in geschlossenen Räumen, wir lernen vieles theoretisch ohne den geeigneten Praxisbezug, ohne die Dinge die wir lernen als Solche wirklich zu „begreifen“ und uns im Lernprozess als „schaffenden/kreativen“ Menschen zu erleben. Und damit meine ich mit Kopf, Herz und Hand zu begreifen. Dabei wissen wir alle, wie wichtig diese Kombination für nachhaltiges Lernen ist.
Ich war neugierig geworden und begann eine Fortbildung zur Wildnis Pädagogin in der Wildnis Schule Weltenwandler. Hier sei auch erwähnt, dass ich diese Fortbildung ursprünglich nicht machen wollte, um das erworbene Wissen direkt an meine Schüler weiterzugeben. Vielmehr war es mein Anliegen selbst zur Ruhe zu kommen und Impulse für mich persönlich aus dieser „Zeit draußen“ mitzunehmen.
Während der 2-jährigen Fortbildung, bei der ich 13 Wochenenden (jeweils von Do.-Sonntag) draußen verbrachte, lernte ich meine Wahrnehmung wiederzuentdecken und die Schönheit und Vollkommenheit der Natur zu schätzen:
wir stellten Naturgegenstände (Löffel und Schalen aus Holz, Körbe aus Weiden, Pfeil und Bogen, )her, lernten die Sprache und Spuren der Tiere zu lesen, am offenen Feuer die köstlichsten Naturspeisen zu kochen, wir lernten Pflanzen zu bestimmen und deren heilende Wirkung für uns Menschen in Salben, Tinkturen und Tees selbst herzustellen, ein Feuer mit einem Drillbogenset zu entzünden, welches zuvor von uns geschnitzt wurde, wir näherten uns der Lebens- und Erfahrungswelten von Naturvölkern an und hörten deren beeindruckenden Geschichten und Rituale, wir erfuhren am eigenen Leib auf unsere innere Intuition zu hören und diese auszuprobieren indem wir auf die Suche nach Wasser gingen (naturewalks), wir lernten unsere Sinne (Gehör, Orientierungssinn, Kälteempfinden) neu kennen und bekamen mit verschiedenen Grenz-Wanderungen das Selbstvertrauen diesen auch zu vertrauen, wir erfuhren, was es heißt zu jeder Zeit draußen zu leben und sich vor Regen und Kälte zu schützen, wir bauten Laubhütten und Tarps, schliefen in diesen und machten die Erfahrung in der Natur geborgen zu sein, wir lernten im „Ernstfall“ ohne weitere Ausrüstung draußen zu überleben, wir suchten uns einen Sitzplatz, den wir das ganze Jahr über möglichst jeden Tag besuchten um uns mit der Natur, den Jahreszeiten und den Tieren die dort leben zu verbinden und in Ruhe beobachten zu können, wir tauschten unsere Erfahrungen in der Gruppe aus und wurden damit zu einer wilden Gemeinschaft.
Diese Erfahrungen lassen sich nicht anlesen, sie müssen am eigenen Leib erfahren werden und sind auch nur so wirksam, nachvollziehbar und nachhaltig. Da ich merkte, wie gut mir die Beschäftigung mit diesen natürlichen Dingen tat und mich innerlich zur Ruhe kommen ließ, beschloss ich meinen Schülern auch diese Möglichkeit zu geben. So verbringen wir nun unsere Schulsamstage im Schloss Freudenberg, wo wir dank eines Kooperationsvertrag mit unserer Schule, die Feuerstelle und das Außengelände des „Museums der Sinne“ nutzen können. Wir haben uns bisher intensiv mit dem Thema „Feuer“ beschäftigt, jeder Schüler kann mittlerweile aus Naturmaterialien ein Feuer mit einem Streichholz entzünden. Außerdem haben wir damit begonnen Glutschalen herzustellen. Ich erlebe die Schüler, insbesondere nach der Corona-Lockdowns als befreit und glücklich im Umgang mit der Natur. Sie sind stolz auf ihre Ergebnisse (Holz mit einer Axt spalten, schnitzen, Feuer entzünden) und erleben sich als effektiv und selbstwirksam. Wir spielen auch viele erlebnispädagogische Spiele, die die Gruppe und den Einzelnen stärken und zu Zusammenhalt führen.
Dies ist erst der Anfang, denn ich bin entschlossen in meinem nächsten Jahrgang einen ganzen Tag pro Woche draußen zu verbringen. Davon dann später mehr…..
Christina Kreutz, Helene Lange Schule, Wiesbaden